Seit 1994 erarbeitet sich Christa Kleu nach einer Inititialzündung durch eine Freundin als Steinbildhauerin ihr dreidimensionales Formenrepertoire durch intensives Studium in eigenem Atelierraum und insbesondere über die Jahre in Italien in ein- bis dreiwöchigen Werkstattaufenthalten in Azzano bei Pietrasanta, einem von der Steinbearbeitung lebenden Ort in der Nähe der Steinbrüche des Carrara-Marmors. Schon hierin spürt man Intensität und Liebe zum Werkstoff Stein und die Suche nach aufregenden Herausforderungen, denen sie sich mit offensichtlicher Sorgfalt stellt. Ausgehend von Specksteinen und geschult an Marmorkieseln wagte sie sich schließlich an roten iranischen Travertin und in letzter Zeit an kompakte schwarze Belgier und honiggelben pakistanischen Kalkstein.
Vorbilder wie Hans Arp, Constantin Brancusi oder Henry Moore sind in der Formwahl zu spüren und mit diesen ein Interesse am Primitivismus, an vereinfachenden archaischen Formen, die als Torso oder bloße Formkörper ein mehransichtiges Objekt zu Tage fördern, das in Skizzen und Tonmodellen in kleinem Maßstab vorher Gestalt gewonnen hatte. Diese Vielfalt an Ansichtsseiten ist ein wichtiges Formanliegen, das bis in ein Interesse an kinetischer Beweglichkeit reicht.
Erst in den letzten Arbeiten begann sie das Punktieren und die Übertragung in eine größere Steinskulptur zu erproben, was mit Hilfe von komplexen mathematischen Berechnungen und erfahrenen Kräften aus italienischen Fachbetrieben umgesetzt wurde.
Als Autodidaktin hat sie spät angefangen und ist von Formvorgaben inspiriert, die mit ihrem Höhepunkt in den 50er Jahren nicht den aktuellen Zeitströmungen, sondern frühen Seherfahrungen entsprungen sein dürften, aber andererseits hat sie schnell gelernt und einen eigenen Weg gefunden, der diesen immer noch ausdrucksstarken Strang der plastischen Entwicklung im 20. Jahrhundert aufgreift und eigenständig ergänzt. Dazu trägt der Umstand bei, dass sich die Formfindung immer noch als Prozess am realen Stein entwickeln muss, der mit seinen Eigenheiten, Färbungen, Maserungen und Lufteinschlüssen bis zum Schluss für Überraschungen gut ist und Einfluss auf die endgültige Form nimmt. Hier zählen genaue Beobachtung und Erfahrung bei der Materialbeurteilung. Mitunter ist das Gestein auch so hart, dass es nur durch zeitaufwendiges Schleifen von Hand bearbeitet werden kann. Allerdings erzeugt diese Bearbeitung meist eine überraschende Metamorphose in der Oberflächenwirkung des Gesteins, das aus unscheinbarem Grau erwacht, in polierter Fassung den Charakter monolithischer Strenge erhält und eine ungemein dichte Wirkung entfaltet, der die Witterung allerdings auch wieder zusetzen würde.
Autodidaktisches Lernen, das Christa Kleu allerdings durch Werkstattbesuche in Italien hinsichtlich der Technik und des Materialgefühls konkret verbessert, bietet oft eine Freiheit gegenüber akademischen Starrheiten, handwerklichen Ausführungstabus und kompositorischen Standards, denn es geht im künstlerischen Tun nicht allein um die perfekte Umsetzung oder die materialgerechte Behandlung, sondern auch um eine neue Ausdrucksqualität und eine Farb-, Form- und Materialkombination, die sich selbst Wirkraum verschaffen muss.
Aus diesen Quellen speist sich etwa eine schwarze, züngelnd abstrakte Figurenstele (Abb. Kleu 7), die ihr Vorbild in der Formgebung eines Holzspanes hatte, der Christa Kleu auffiel, weil er ihren Formintentionen entsprach. Die geschmeidig gespannte Andacht der Figur hat gezügelt sinnliche Eleganz, würde aber durch eine traditionell wohlproportionierte Kopfpartie verlieren. Eine Reihe solcher, scharfschnäblige Vögel assoziierbar machender Stelen ist in letzter Zeit für den Innenraum entstanden. Auch gänzlich ohne figürliche Assoziationen hat das konturierte Steinscheibenfragment den Charakter eines lodernden Fingerzeigs und die geschmeidige Präsenz eines eigenständigen Formkörpers, der sich weitgehend vom figürlichen Vorbild löst.
Diese Wirkung haben auch die anderen Skulpturen, die bislang den Garten der Künstlerin bevölkern und dort in wechselnden Gruppierungen, aber durchaus eigenständig in der Präsenz, Raum für sich beanspruchen. Im Spiel des Lichtes wechseln darüber hinaus im Tagesverlauf Schattenfall und Farbintensität der Außenskulpturen. Da sind fünf Specksteine, die auf eigens geformten Metallständern aufgesockelt sind, und so in unterschiedlichen Höhen ihre beste Ansichtsseite zeigen. In ihnen wird scheinbar eine Zweiteilung oder Paarung von Formkörpern thematisiert und durchformuliert. Als Schichtung, als linsenförmiger Spalt, als tiefe Furche, als geschwungene Mulde, als knorpelig auslappende L-Form erscheinen sie teils wie geknetet wirkende, von weich schwingenden Formen mit Knickkanten geprägte biomorphe Formen, die der Eigenschwere und der Statik entgegen positioniert sind. Die Künstlerin arbeitet an einer frei drehbaren Lagerung ihrer Skulpturen, um deren Beweglichkeit und freie Lagerung zu intensivieren, um vom Zusammenspiel mit dem Sockel unabhängiger zu werden.
Die kompakt gedrungene Kraft der Specksteingebilde und ihrer Farbschichtung entfaltet sich in zwei rohen Spaltprodukten aus Travertin zu einer Raumspannung im Luftspalt zwischen den Segmenten. Die eigentliche Kraft der Skulpturen von Christa Kleu liegt jedoch in der geschmeidigen Spannungskraft ihrer dichten Formungen mit sparsam modulierten figürlichen Andeutungen.
In den Marmorkieseln tritt ein Prinzip der Gestaltung aus vorgefundenen Bruchstücken auf, die als Zufallsformen zu einer Formfindung anregen. In weißlich kühler Glätte findet sich hier eine Vorliebe für gestülpte, schmiegsam floral-textile Wachstumskeime und erfundene Naturanalogien.
In den rötlichen Travertingruppen sind eindeutig Themen wie Schwangerschaft, mütterliche Zuneigung, Geborgenheit und gelassene Selbstsicherheit in Stein gehauen. Den Steinblöcken entschlüpft durch Abrundungen, Einkerbungen, Muldung und Kurvatur ein Formkörper mit in sich geschlossener Kontur, der dennoch wärmer und menschlicher wirkt als eine von einer Folie überspannte Figur, die als blockhafte Masse auftreten würde. Die anonymisierten Figuren ruhen in sich, entbehren störender kleinteiliger Details wie Nasen, Ohren oder Finger und kommen ohne Gebärden und Mimik aus. Körperhaltung, Schmiegsamkeit und im Torso akzentuiertes Körperdetail sind die Mittel, um den gelegentlich
wie Körpergebirge mit Sedimentschichtung erscheinenden Volumina emotionale Intentionen und formale Geschlossenheit zu bieten. Das ist von Christa Kleu so wohl überlegt, wie stimmig erwirkt.
In zeitaufwendigen Prozessen ist so in den letzten Jahren nach und nach eine überschaubare Zahl von Skulpturen entstanden, denen die Intensität der Auseinandersetzung in der Formfindung anzusehen ist. Mit Bedachtsamkeit hat sich die Form entwickelt und verfeinert. Geduldig harren die Objekte in ihrer beständigen Form auf Betrachter und bieten diesen mit ihrem zeitlosen Charakter und strengen Charme sinnliches Vergnügen, das sich nicht schnell abnutzt. Erfreulich, dass nach einer ersten Ausstellung im Stolberger Zinkhütter Hof dieser Katalog den bewusst titellosen Werken mit ihrer harmonischen Prägnanz eine größere Öffentlichkeit beschert.
Dr. Dirk Tölke (Aachen) Kunsthistoriker